Wohlfühlfaktor Mehl

Letzte Woche habe ich nach langer Zeit endlich den Text für ein neues Buch fertiggestellt.

In dem Buch lernt man einerseits etwas über die größte Sammlung prähistorischer Mahlsteine in der Uckermark und andererseits gibt es einen Einblick in die Geschichte der Mahlgeräte von den Anfängen vor 8000 Jahren bis zur Windmühle.

Nun stand ich letzte Woche im Supermarkt nicht nur vor einem leeren Klopapierregal, sondern auch vor einem vollkommen ausverkauften Mehlregal. Das Zuckerregal nebenan war noch gut gefüllt. Mittlerweile habe auch ich mitbekommen, dass neben Nudeln und Toilettenpapier Mehl gehamstert wird.

Hier der Versuch einer Erklärung

Mehl wird aus Getreide gemacht. Getreide ist eine der Hauptspeisen des Cricetus cricetus – der Feldhamster.

Die Geschichte der Sesshaftigkeit des Menschen beginnt, so noch die gängige Wissenschaftsmeinung, mit der Domestizierung von Wildgräsern. Im Gegensatz zum Feldhamster ist Homo sapiens aber nicht in der Lage, Körner zu verdauen beziehungsweise die im Korn enthaltenen Nährstoffe dem Körper nutzbar zu machen; dazu braucht es des Mahlvorganges.

Nebenbei erzählt

Das Mahlen von Getreide war tausende von Jahren Frauensache. Ein sehr schönes Beispiel dazu liefert der schottische Afrikaforscher David Livingstone, wenn er schreibt:

Muazi beschenkte uns einst mit einem Korb Getreide. Als wir ihm einen Wink gaben, daß wir kein Weib hätten, um unser Getreide zu mahlen, fiel seine schelmische Gattin mit schalkhafter Freude ein und sagte: „Ich will es Euch mahlen und Muazi verlassen, um Euch zu begleiten und in dem Lande, wo die Sonne untergeht, für Euch zu kochen.

Nomaden und Sesshafte

Wegen der derzeitigen Pandemie müssen wir Menschen unser globales Nomadenleben zumindest für eine gewisse Zeit ruhen lassen. Wir sollen und müssen sesshaft sein, ergo:

Wir hamstern Mehl!

Zum Glück müssen wir heutzutage die Körner nicht mehr auf einer Steinplatte mit einem anderen Stein reiben, denn dies war nicht nur eine sehr zeitaufwändige sondern auch eine seelenkränkende Arbeit.

Vorratshaltung des Hamsters

Der Hamster legt Vorräte an und wenn er nicht alles auffrisst, dann werden im nächsten Jahr die Getreidekörner vermutlich austreiben, so dass der Hamster wieder genug zu fressen findet.

Was aber passiert mit den menschlichen Vorräten?

Unsere Vorräte treiben im nächsten Jahr garantiert nicht aus, ein Großteil wird vermutlich auf der Mülldeponie oder der Müllverbrennungsanlage enden.

Die amerikanischen Müll-Archäologen haben die Erfahrung gemacht, dass während einer Mangelzeit von Rindfleisch bedeutend mehr Rindfleisch weggeworfen wurde, als in „normalen“ Zeiten. Die Leute haben Rindfleisch ohne Ende gekauft, egal ob sie die Lagermöglichkeiten hatten oder nicht. Dadurch vergammelte viel Fleisch, welches dann in der Tonne landete. Die Hypothese lautete dann auch, dass Menschen, die mit einem Lebensmittelmangel konfrontiert werden, beginnen, diesen zu horten. Diese Hypothese konnte dann am Beispiel von Zucker verifiziert werden, der auch in einer Mangelzeit damit rechnen musste weder im Kaffee noch im Kuchen zu landen, sondern im Abfall.


Und wie wird es den Nudeln, dem Mehl und dem Toilettenpapier ergehen?

Letzteres wird nicht schlecht, es hat sozusagen kein Verfallsdatum. Da Pasta eigentlich das Lebensmittel Nummer eins in Italien ist, der deutsche Normalbürger dagegen nicht auf Kartoffeln verzichten kann, würde ich sagen, dass so in ein bis zwei Jahren ein Großteil der nun in deutschen Haushalten eingelagerten Nudeln das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben und somit entsorgt werden wird; es sei denn, es kommt eine neue Pandemie.

Bei Mehl denkt man zunächst an Kuchen. Mehl ist die für Kuchen die Grundzutat schlechthin,  aber zum Kuchen gehören auch die Zutaten Zucker und Eier. Da das Zuckerregal aber noch voll war, ist davon auszugehen, dass Zucker und Mehl keine bäckerische Verbindung eingehen werden – Mist, ich hätte das Eierregal noch kontrollieren müssen.

Nächste Verwendung für Mehl wäre das Backen von Brot.  Bis heute ist Brot weltweit das Grundnahrungsmittel schlechthin; es gibt es in unendlich vielen Variationen. Da ich mein Brot schon seit Jahren selber backe, weiß ich, dass die meisten, die behaupten, dass sie ihr Brot selber backen, es mit einem Brotbackautomaten und Fertigmischungen aus dem Supermarkt machen. Die Herstellung von Sauerteig und die häufig so lange Teigführung halten gemeinhin vom Brot backen ab, das erledigt alles der Bäcker des Nächtens in seiner Backstube.


Resümee

In unserem kollektiven Gedächtnis ist anscheinend die Verbindung von Sesshaftigkeit, Mehl und Brot tief verankert. Das Mehl, auch wenn wir es nur hamstern und nicht benutzen, gibt uns die Sicherheit nicht zu verhungern, wenn wir uns nicht jagend durch die Welt bewegen können oder dürfen; wir werden uns Dank des Mehles trotz Ausgangssperre wohl fühlen. Kuscheltiere sind ja auch nicht zum Verzehr geeignet.

3 Kommentare zu “Wohlfühlfaktor Mehl”

  1. Julia S. schrieb:

    Mrz 20, 20 at 21:22

    Liebe Eva,

    sehr schön, deine Artikel!
    Habe auch im Biosupermarkt eine leere Eier-Ecke gesehen, konnte keine kaufen, von Klopapier ganz zu schweigen.
    Ich habe gehört, die Amis kaufen wie verrückt Waffen, weil sie sich in einem Katastrophenfilm wähnen und ihr Heim gegen marodierende Banden verteidigen wollen.
    Ich weiß nicht genau ob es stimmt … ich hoffe nicht.
    Allerbeste Grüße Julia

  2. Silvia schrieb:

    Mrz 23, 20 at 09:09

    Hallo Eva,
    die Leute könnten auf Tapezierer umsatteln und die Tapeten mit dem Mehl ankleben.
    Grüße Silvia

  3. laura schrieb:

    Mrz 23, 20 at 12:34

    Das viele Toilettenpapier, welches derzeit in Umlauf ist, kann man auch mit dem Mehl zusammen als Tapete an die Wände kleben, dann hat man, je nach Toilettenpapiersorte, gleich auch noch ein hübsches Blümchenmuster.


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