300.000 Follower

Am 20. Januar 2023 gab es in der Süddeutschen Zeitung einen Beitrag mit dem Titel „Der Müll erzählt so viel über diese Stadt„.

Dabei geht es um einen Straßenkehrer Monsieur Franceschet, der auf TikTok über den Pariser Müll berichtet und mit seinen Followern gemeinsam per Chat am Frühstückstisch sitzt.           

Nicht, dass ich das Bedürfnis hätte, mit irgendwelchen fremden Menschen gemeinsam virtuell zu frühstücken, so hätte ich doch gerne mehr Aufmerksamkeit, was den Müll betrifft.

Gestern habe ich einen Müllspaziergang durch die Nostitz- und Bergmannstraße gemacht, so dass sich ein virtueller Müllvergleich zwischen Paris und Berlin lohnt.

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Ist der Müll in Paris ein anderer als in Berlin, gibt es in Paris ein anderes Verhalten, mit dem Müll umzugehen als in Berlin?

In dem Artikel der Süddeutschen Zeitung stellt der Straßenkehrer die These auf: „Je mehr Menschen unterwegs sind, desto mehr liegt rum auf den Straßen. Wir sind Müllproduzenten„. Der ersten Hälfte dieser Aussage stimme ich zu, aber nicht der zweiten: wir, damit sind vermutlich die Verbraucher gemeint, sind keine Müll-PRODUZENTEN, wir sind Müll-KONSUMENTEN, da wir zum Teil Dinge benutzen müssen, die zum einmaligen Gebrauch hergestellt wurden.

In dem Artikel wird berichtet, dass der „Straßenkehrer von Kot und Urin auf der Straße erzählen kann, von Erbrochenem, von Kondomen, von Slipeinlagen, von Windeln„.

Auch da kann Berlin ganz locker mithalten, an diesen Abfällen ist nichts besonders französisch.

Am Tag der Berichterstattung, „sammelt der Straßenkehrer zunächst eine halbvolle Wasserflasche, eine Comté-Verpackung [Anm. EB: Käseverpackung] und ein Metroticket ein„. Weiter heißt es, dass „an diesem Nachmittag Franceschet schon nach zehn Minuten den ersten Sack gefüllt hat.“ Das ist nicht gerade viel und Berlin kann locker mithalten.

Weiter im Text heißt es, dass der Straßenkehrer „Scherben und eine leere Wodka-Flasche neben einem Brunnen zusammenkehrt, Burger-King-Verpackungen aus einem Fahrradkorb klaubt und eine Bananenschale und ein Saftpäckchen aus einem Blumenbeet zieht.“

Was ist daran so besonders? Darüber berichte ich schon seit Jahren und habe keine 300.000 Follower!

Kann sich noch jemand an meinen Artikel über die Rauchopfer erinnern?

Dem Pariser Straßenkehrer scheint es ein Bedürfnis zu sein, der Journalistin diesen Müll und vor allem den Ablageort zu zeigen: „Auf einem kleinen Platz hinter dem Forum des Halles hebt er einen Gitterrost hoch, darunter liegt ein Meer aus Zigarettenstummeln.

Auch hier sind sich Paris und Berlin sehr ähnlich.

Und wie bei jedem Müllspaziergang findet man auch etwas Besonderes. Der französische Straßenkehrer fand ein „rosafarbenes Einhorn aus Plastik„, welches er „vielleicht an einen Follower schenken kann„.

Auch mein gestriger Spaziergang durch die Bergmann- und Nostitzstraße in Kreuzberg erbrachte ein kleines „Kuscheltier“.

Sollte einer meiner wenigen Follower Interesse an diesem „Spiderbären“ haben, melde er oder sie sich bei mir, ich gebe das Fundstück gerne ab.

Dieser kleine Beitrag hat gezeigt, dass es ziemlich egal ist, wo man sich auf der Welt aufhält; Müll gibt es überall und Dank der Globalisierung finden sich auch noch die gleichen Gegenstände. Interessant ist aber, dass auch das Verhalten sich sehr ähnelt. Wie heißt es schon bei George Orwell in seinem Buch Farm der Tiere: „Alle Tiere sind gleich!“

„Beim Thema Müll ist es am Ende egal, ob eine linke oder eine rechte Partei das Sagen hat“, sagt Franceschet. Da geht es darum, dass sich in den Köpfen der Menschen etwas ändert.“

 

 

 

 

Ein Kommentar zu “300.000 Follower”

  1. Stefan Wenzel schrieb:

    Jan 22, 23 at 13:41

    Liebe Eva,
    in jedem Fall sind wir auch höchst kreative MÜLL-VERTEILER, und Schöpfer bezaubernder Installationen von großer Fragilität und Leichtigkeit. Und wer weiß, vielleicht hat der zertretene Becher mit dem Motto „Funktionieren statt improvisieren“ sogar eine politische Botschaft …
    Viele Grüße,
    Stefan


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