Feuerstühle oder „Ich mach dir Feuer unter’m Hintern“

Beschäftigt man sich mit der Geschichte des Mülls, dann führt kein Weg an Fäkalien vorbei.
In den „Arbeiten der Deutschen Landwirtschafts=Gesellschaft“ fand ich einen Artikel, der sich 1896  einem ganz interessanten Vorschlag zur Entsorgung der menschlichen Ausscheidungen widmete: Den Feuerstühlen!

Die mehr oder weniger vollständige Verbrennung der menschlichen Absonderungen unmittelbar nach der Entleerung im Aborte selbst oder doch in einem mit diesem in unmittelbarer Verbindung stehenden Raume hat vom gesundheitlichen und ästhetischen Standpunkte unzeweifelhaft manches für sich. Durch die Verbrennung werden die Absonderungen in Asche überführt, welche weder übelriechende Gase von sich geben, noch durch ihren Anblick ekelerregend wirken kann; ebenso werden sämtliche, in den Auswürfen etwa enthaltenen Krankheitskeime durch das Feuer vollständig zerstört.

Dem gegenüber aber sind vom Standpunkte landwirtschaftlicher Ausnutzung der in den menschlichen Absonderungen enthaltenen Pflanzennährstoffe die Feuerstühle durchaus verwerflich, da beim Verbrennen der größte Teil des Stickstoffs in Gasform entweicht. Aber auch hiervon ganz abgesehen, stellen sich die wirklichen Ausführungen dieses Verbrennungsverfahrens mancherlei Schwierigkeiten entgegen. Jedes Haus müßte mit einer besonderen Heizvorrichtung versehen werden, deren fortdauernder Betrieb unzweifelhaft manchen Störungen ausgesetzt sein wird. Wegen der nicht geringen Kosten und der dauernd erforderlichen Bedienung kann die Anlage von Feuerstühlen mit wenigen Ausnahmen wohl nur in Fabriken, Hotels oder sonstigen größeren Gebäuden in Frage kommen.

Die Feuerstühle

Die verschiedenen Feuerklosette lassen darauf schließen, dass man sich Ende des 19. Jahrhunderts ernsthaft Gedanken machte, wie die menschlichen Exkremente hygienisch und diskret zu beseitigen seien. Allen Feuerstühlen ist gemeinsam, dass die menschlichen Hinterlassenschaften letztlich verbrannt werden. Die Unterscheidung liegt in der Aufbereitung des Brenngutes.

Das Scheidingsche Feuerklosett, verbrannte die festen Ausscheidungen und verdampfte die flüssigen. Dieser Feuerstuhl war im Fabrikgebäude des Herrn Scheiding sogar in Betrieb.

Das Sindermannsche Verfahren sah nach der Trocknung eine Verkoksung vor.

Die von Swiecianowkis Filtrier- und Abdampf-Vorrichtung verbrannte die festen Hinterlassenschaften und filterte mittels Torf die flüssigen, so dass sie bedenkenlos einem Fluss zugeführt werden konnten.

Der Feuerstuhl von J.D. Smead sah einen Trocknungprozess in einer Pfanne vor der Verbrennung vor.

Der Feuerstuhl von Seipp und Wehl arbeitete mit zwei Walzen, die das Feuerungsgut zu einer dünnen Schicht ausbreiteten, damit es von dem darunter liegenden Feuer verbrannt werden konnte.

Das Wilhelm Lönholdtsche Patent-Feuer-Klosett scheint mir das komplizierteste gewesen zu sein, welches mit Verdampfung und Verbrennung arbeitete. Dieser Feuerstuhl war in einer Armaturen- und Maschinenfabrik in Nürnberg in Betrieb.

Feuerstuhl vs. Wasserklosett

Auch heute denkt man über neue Methoden der Entsorgung menschlicher Ausscheidungen nach, da die Wasserklosette bei weitem nicht der Weisheit letzter Schluß sind. Auf dem 35. Akademie-Gespräch der Akademie der Künste am 28. September 2010 stellte Professor Ralf Otterpohl alternative Methoden im Rahmen der Terra Preta Sanitation vor.

Ich mach dir Feuer unter’m Hintern!

Ob diese Redewendung sich auf die hier vorgestellten Feuerstühle bezieht oder ihren Ursprung im Mittelalter hat, als es noch Fässer zur Entledigung menschlicher Bedürfnisse gab, die je nach Jahreszeit mit heißen Steinen gefüllt waren, damit man sich nicht verkühlte, bleibt dahin gestellt.

 

 




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