Verschlusssache

Da ich mich nicht nur mit Müll beschäftige, sondern auch mit den frühen Gerätschaften der MÜLLer, taucht oft die Frage auf, was war zuerst: Brot oder Bier.

Eindeutig war es das Bier. Natürlich nicht in der heutigen, sehr flüssigen, Form, sondern eher breiartig. Gerste, die sich nicht zum Backen eignet, da sie kein Klebereiweiß besitzt, war eines der ersten Getreidearten, die kultiviert wurden, nicht nur im Orient auch in Norddeutschland.

Aus Gerste lässt sich ein Brei herstellen, der, wenn nicht alles aufgegessen wurde, mit der Zeit vergor. Nach der Vergärung, natürlich einer alkoholischen, schmeckte der Brei noch viel besser, machte er doch auch lustig.

Gefühlt würde ich sagen, dass Bier bis heute das meist getrunkene Getränk ist.

Hatte man früher Schalen, aus denen der alkoholische Brei geschlürft werden konnte, werden die heutigen flüssigen Nachfolger in Flaschen abgefüllt, die natürlich zum Transport verschlossen werden müssen. Man will sein Bier schließlich jederzeit und überall konsumieren, ob zu Hause oder unterwegs.

Für Flaschen bieten sich mehrere Möglichkeiten an: Korken aus Plastik oder Korkeiche, Bügelverschlüsse, Drehverschlüsse oder Kronkorken.

 

Zu Beginn der  industriellen Bierabfüllung entschloss man sich, die Flaschen mit einem Bügelverschluss zu versehen. Diese Bügelverschlüsse waren aufwendig konstruiert, sie bestanden aus einem beweglichen Metallbügel an dem ein Porzellanverschluss montiert war. Der Porzellanverschluss besaß auch zusätzlich einen kleinen Gummiring an der unteren Seite als Dichtungsring.

Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts kamen in Amerika Flaschen mit Kronkorkenverschluss auf. Diese Verschlusssache fand erst in den 1960iger Jahren Eingang in die deutsche Flaschenabfüllung.

Drehverschlüsse waren nie eine Verschlusssache für Bier, was sich in den letzten Jahren änderte, seit Bier auch in Plastikflaschen abgefüllt wird.

Genau wie die Porzellanverschlüsse an den Bügelverschlüssen, so wurde und wird der Kronkorken für Werbung beziehungsweise für das Logo der Brauerei genutzt.

Berlins meist getrunkenes Bier heißt umgangssprachlich „Sternie“, man findet es überall.

 

Für Archäologen sind Kronkorken das „gefundene Fressen“. Über das Logo lässt sich heraus findet, ob es sich um ein hochpreisiges oder niedrigpreisiges Bier handelt. Die Fundorte der Kronkorken erzählen nicht nur, wie öffentlicher Raum genutzt wird, sondern auch wie lange. Gerade um Parkbänke herum findet man eine große Anzahl an in die Erde eingedrückte Kronkorken, die, durch Fußtritte und Witterung, kaum noch ein Logo zeigen.  Spielplätze sind ein sehr bevorzugter Fundort für Kronkorken.

Kronkorken geben heutigen Müll-Archäologen Auskunft über die sozialen Schichten, die in einem Stadtteil wohnen. Das Schöne an Kronkorken ist, dass sie nicht vergammeln und noch in tausend Jahren in der Erde zu finden sein werden. Scharen von Archäologen werden sich auf diese Artefakte stürzen, Typologien und Chronologien entwerfen und sich Gedanken über den Zeitgeist der Menschen im 21. Jahrhundert machen. Sollte man noch die dazu gehörige Flasche finden, wird es noch besser, denn auf dem Flaschenetikett lassen sich bekanntlich auch schriftliche Informationen festhalten.

Warum werden Bierflaschen mit Kronkorken verschlossen?

Bei der Bügelflasche ist der Verschluss fest mit der Flasche verbunden. Wolfgang König schreibt, dass die Kronkorkenflasche „die auf dem Markt befindlichen Bügelverschlussflaschen ersetzte und [somit] einen brauereiunabhängigen Flaschenumlauf erleichterte“.

Noch vor gar nicht allzu vielen Jahren, war die Bierflasche genormt, es gab so gut wie keine individuell von den Brauereien gestaltete Flasche. Dies hat sich geändert. Konnte früher jede Brauerei die Bierflasche erneut befüllen, gestaltet sich dies heute schon etwas schwieriger.

Aufwendig gestylte Flaschen einer bayerischen Brauerei, deren Inhalt in Berlin genossen wurde, müssen zurück nach Bayern und können nicht von einer mitteldeutschen Brauerei erneut verwendet werden. Darüber freuen sich die Speditionen.

Eine mit Bügelverschluss versehene Flasche lässt sich viel leichter öffnen, als dies mit einer Kronkorkenflasche der Fall ist. Wer hat schon einen Flaschenöffner in der Jackentasche, wenn er draußen mit seiner Bierflasche unterwegs ist. Aber zum Glück kann man Kronkorken auch mit den Zähnen, mit Einwegfeuerzeugen und Schlüsseln öffnen.

Der Kronkorken ist eindeutig ein Wegwerfprodukt. Öffnet man die Bierflasche im Haus, so stehen die Chancen richtig gut, dass der Kronkorken in einer der farbigen Tonnen landet. Dies ist beim Bier trinken to go überhaupt nicht mehr der Fall: der Kronkorken wird dort fallen gelassen, wo die Bierflasche geöffnet wurde. Ich glaube kaum, dass sich jemand den Kronkorken in die Jackentasche steckt, um ihn später sachgerecht zu entsorgen.

In Bayern kenne ich einen jungen Mann, der Kronkorken sammelt. Ein wahrer Schatz für jedes Brauereimuseum.

Exkurs: Korken

Korken aus Korkeiche findet man so gut wie überhaupt nicht im öffentlichen Raum. Dieser Gegenstand setzt wahrhaftig ein Werkzeug voraus, um ihn aus der Flasche zu ziehen. Ob die Mehrzahl der mit Korken verschlossenen Flaschen in der heutigen Zeit mit Plastikkorken ausgestattet werden, um den Korkenzieher obsolet zu machen oder um das Getränk in einer solchen Flasche auch to-go-fähig zu machen, bleibt geheime Verschlusssache.

Literaturangabe

Das in diesem Artikel aufgeführte Zitat befindet sich auf Seite 35, in: Wolfgang König 2019, Geschichte der Wegwerfgesellschaft : Die Kehrseite des Konsums, Franz Steiner Verlag.

 

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