Seit einiger Zeit bin ich die stolze Besitzerin von ungefähr 50 Kubikmeter Stroh.
Wie unschwer an den Bildern zu erkennen, lagert dieses Stroh seit mindestens 40 Jahren im Dach eines alten Stalles und ruiniert so langsam aber sicher den Dachstuhl. Deshalb muss es entsorgt werden. Hat schon einmal jemand versucht, 50 Kubikmeter Stroh los zu werden?
Stroh kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet „streuen“. Dies kann ich nur bestätigen, wurden doch die abgedroschenen Getreidehalme fleißig im Dachstuhl ausgestreut.
Stroh ist eines der ältesten Materialien, mit denen Menschen gearbeitet haben. Die ersten Häuser waren mit Stroh gedeckt und der Lehm für die Wände wurde mit Stroh gemagert. Stroh diente nicht nur den Tieren im Stall als Unterlage, sondern auch dem Menschen als Matratze. Das mit den Exkrementen versetzte Stroh aus den Ställen wurde dann später wieder auf die Felder gebracht und untergepflügt, so dass es auch noch seine Dienste als Dünger tat, bevor es im Boden verrottete.
Menschen tragen Hüte aus Stroh und früher trank man seine Limonade aus Strohhalmen. Letztere sind heute aus Plastik und heißen offiziell Trinkhalme.
In England heißen Erdbeeren „strawberries“, weil diese Beeren besonders gut gedeihen, wenn man sie mit Stroh bedeckt.
Und heute? Niemand will mehr Stroh, vor allem nicht in den Dimensionen, in denen ich es zu bieten habe.
Gepflügt wird schon lange nicht mehr, man grubbert den Boden nur noch, so dass auch kein altes Stroh eingemengt werden kann.
Aus meinem Stroh viele Trinkhalme zu machen, scheint mir abwegig und selbst große Gartenkolonien in Berlin sind sicher nicht an dem Stroh für die Erdbeeren interessiert.
Also habe ich mich bei Abfallunternehmen erkundigt.
Das Angebot einer Entrümpelungsfirma belief sich auf 1.800 Euro am Tag. Man rechnete zwei Tage für die „Entrümpelung“, was dann 3.600 Euro kosten würde.
Sowohl öffentliche als auch private Entsorger führen in ihrem Angebot die zwei Kategorien „Kompostierbare Abfälle (Garten- und Parkabfälle)“ und „Kompostierbare Abfälle (Wurzeln, Stubben und Stämme)“. Die Tonne Garten- und Parkabfälle kostet 40 Euro und für Wurzeln, Stubben und Stämme zahlt man 75 Euro pro Tonne.
In meiner Naivität habe ich gedacht, dass das Stroh in die Kategorie Garten- und Parkabfälle gehört. Weit gefehlt. Der öffentliche Entsorger nimmt es überhaupt nicht an und bei dem privaten Entsorger gehört es in die Kategorie „gemischte Siedlungsabfälle“, deren Tonnenpreis sich auf 140 Euro beläuft.
Entsorgen
Im Duden ist „entsorgen“ als schwaches Verb beschrieben, welches für Müll benutzt und in der Bedeutung für die Befreiung und Beseitigung von Abfallstoffen verwendet wird. In dem Wort „entsorgen“ steckt das Wort „Sorge“. Entsorgen bedeutet also, dass wir uns von Dingen befreien, die uns Sorgen bereiten.
Frage: Wenn die Abfallentsorger nun überhaupt keine Kategorie für Stroh haben, dann kann es sich dabei also weder um Müll noch um einen Abfallstoff handeln.
Ergo: Ich habe überhaupt keine Sorgen – da es nichts zu entsorgen gibt!
Trotz alledem: das Stroh bereitet mir Sorgen und ich möchte mich gerne Ent-Sorgen. Eigentlich eine paradoxe Welt: von allen giftigen Stoffen, wie Asbest, Farben, Lacken, Ölen ist die Entsorgung kein Problem, aber eines der natürlichsten Materialien der Menschheit bereitet unserer Zivilisation immense Entsorgungsprobleme.
Also, wer will Strohmann oder Strohfrau werden und nimmt mir Stroh ab? Es gibt auch eine Leiter, um an das Stroh heran zu kommen.
Gibt es bei Euch in der Nähe vielleicht eine Verbrennungsanlage, die auch Energie erzeugt? Vielleicht nehmen die das dann?
Der Markt für Stroh
Der Handel mit Stroh für Energiezwecke zwischen Produzenten und dem Energiesektor ist normalerweise durch mehrjährige
Lieferverträge geregelt, die der einzelne Strohproduzent oder eine Gruppe von Strohproduzenten mit einem Abnehmer abschließen.
Abnehmer sind strohbefeuerte Fernwärmewerke und Heizkraftwerke, die durch den Abschluß längerfristiger Lieferverträge sicherstellen, daß sie ihrer Versorgungspflicht gegenüber den Wärmekunden nachkommen können. Allerdings ist nicht der gesamte Handel mit Stroh vertraglich geregelt. Durch den Ankauf von Stroh auf dem Spotmarkt, z.B. bei Maschinengenossenschaften und anderen Zwischenhändlern, können die Werke häufig einen Preisvorteil für einen Teil ihres jährlichen Strohverbrauchs erzielen.
http://www.bhkw-anlagen.com/100kwbiomassebhkw/strohballenvergaser/strohalsenergietraeger/index.html
http://www.bhkw-anlagen.com/100kwbiomassebhkw/strohballenvergaser/strohalsbrennstoff/index.html
Vielleicht auch mal über die Grenze nach Polen schauen – vielleicht pflügt da noch jemand Stroh unter?
Oh, oh!
Gibt’s da „Bio-Erzeuger-Produktionsgenossenschaften“ in eurer Nähe? Oder sowas ähnliches?
Landwirte, die in größerem Stil Verwendung hätten?
Das ist doch Rohstoff im besten Sinne!
Mon dieu (vielleicht hilft der…? 😉 )
Landschaftsgärtner, die einen Trockengarten (Xeriscape) anlegen wollen, brauchen im ersten und in weiteren Wintern abgelagertes Stroh:
Es ist Mulch für die neuen Stauden und unterscheidet sich farblich kaum vom steinernen Untergrund. Abgelagertes Stroh ist desh. laut Beth Chatto die sinnvollste und ästhetischste Lösung:
Frag doch mal bei einem Landschaftsarchitekten an?…
Wir haben zu dritt viele Tage lang in Schutzanzügen und Masken über teils durchbrechende und gebrochene Bodenbretter ebenfalls etwa 40 Jahre altes Stroh hinaus expediert. Staub ohne Ende, in den Zwickel kriechen, um es überhaupt lösen zu können, auf Du und Du mit Ratten- und Mäusekot und mumifizierten Katzen und Vögeln. Auf der Tenne und den früheren Viehständen haben wir es in bigbacks gestopft und dann je nach Kraft in verschiedenen rollbaren Gefährten nach draußen geschafft. Dort befindet sich jetzt ein sehr großer Strohhaufen, der zusehens schrumpft und in Zukunft unser Zudünger in bester krümeliger Struktur werden soll. In den ersten Tagen wurde es im Inneren des Haufens so heiß, dass wir ernsthaft eine Selbstentzündung befürchteten. Im Sommer gediehen dort zwei Kürbispflanzen schon mal ganz gut. Es war eine Sauarbeit und wir sind sehr froh sie hinter uns zu haben. Eben Arbeit, Arbeit, …