Ich lese sehr gerne alte Reiseberichte und dabei ist mir eine sehr schöne Beschreibung über das Kaffee trinken bei den Arabern in die Hände gefallen, die der schwäbische Orientforscher Julius Euting 1896 in seinem „Tagbuch einer Reise in Inner-Arabien“ verfasst hat und die absolut nichts mit der modernen Art des Wegwerf-Kaffeegenusses zu tun hat.
Vor dem Weiterlesen bitte unbedingt eine Tasse Kaffee kochen.
„Bereitung des Cafes, wie bei den Beduinen üblich“
Ich will bei dieser Gelegenheit die Bereitung des Cafes, wie sie bei den Beduinen üblich ist, beschreiben. Der Trank hat nichts gemein mit dem sogenannten ‚türkischen‘ Cafe, jenem satzigen Aufguss von ganz verbrannten Bohnen, übertrifft den letzteren vielmehr weit an Wohlgeschmack und Belebungskraft. Während man in Europa einfach den fertigen Cafe auf dem Tisch haben will, und etwa noch eine Cigarre dazu geniessen, so liegt beim Beduinen ein mindestens ebenso grosser Genuss im Zuschauen der feierlich langweiligen Vorbereitungen, wobei das schliessliche Trinken der winzigen Gaben des braunen Erzeugnisses fast als Nebensache erscheint. Zuerst wird in der Feuergrube des Bodens mit Brennholz, oder auf dem etwa 1 1/2 Fuss hohen in der Ecke stehenden Heerd mit Kohlen ein Feuer angemacht, und durch einen Blasebalg in Gluth gesetzt. Auf eine flache eiserne Pfanne mit 2 Fuss langem Stiel werden die gelesenen Bohnen geschüttet, mit dem an eiserner Kette hängenden Löffel während des Röstens umgerührt, und dann auf den Kühlteller geschüttet. Von den im Mörser mit einem steinernen Stösser zu Mehl zerstampften Bohnen, wird das Pulver mit einem kurzstieligen eisernen Rührlöffel heraufgeholt. Mittlerweile sind die drei verzinnten Kupfertöpfe mit Griff und Deckel in Bereitschaft gesetzt. Der erste und grösste derselben, enthaltend entweder reines Wasser, oder Wasser mit altem Cafesatz, wird zunächst aufs Feuer gesezt, und bis zum Sieden erhizt. Daraus wird der strudelnde Inhalt in den 2ten Kupfertopf, enthaltenden das soeben gestossene Kafemehl, übergegossen; nun kommt dieses zweite Gefäss unter sorgfältiger Verhüftung des Überlaufens solang aufs Feuer (etwa 10 Minuten) bis kein Schaum mehr aufsteigt, und der Satz gänzlich ausgekocht auf dem Boden bleibt. Inzwischen hatte der Hausherr einige Bohnen Cardamon aus dem Kşer (eine schräg über die Ecke in der Wand angebrachte Nische, mit einem Thürlein) geholt und zum Stossen im Mörser hergegeben. Das Cardamon wird dann in die 3te Kanne geworfen, und der Inhalt der Kanne No. 2 draufgegossen. Auch diese 3te Kanne wird kurze Zeit nochmals aufs Feuer gethan, bald aber auf die Seite gestellt, damit sich aller Satz fein auf dem Boden niederschlägt. Erst jezt, nach 30-40 Minuten im Ganzen, ist der Cafe fertig. Eine Person hat die kleinen Tassen (ohne Henkel und Untersatz) alle in der linken Hand, 6-8 Stück in einander geschachtelt, und schenkt nun nach der Ehrenfolge der Gäste jedem eine Tasse ein, kaum zur Hälfte gefüllt. Gewöhnlich geht die Reihe nur zweimal herum. Solange man trinkt, oder noch weiter eingeschenkt haben will, behält man die Tasse in der rechten Hand; kommt der Mundschenk zum dritten mal, und will man für Weiteres danken, so wackelt man mit der Tasse und gibt sie zurück.“
Hätte Julius Euting die heutige Art des Kaffee-Geniessens gekannt, er hätte sicher nicht den „türkischen Cafe“ als Gegenbeispiel angeführt.
Anscheinend war Herr Euting ein sehr vorausschauender Mensch, da er verfügte, dass jedem Besucher an seinem Grab ein Tässchen Mokka serviert werde. Sollte jemand Lust auf ein Tässchen Mokka haben, dem empfehle ich einen Besuch am 11. Juli am Seekopf im Nordschwarzwald, wo Julius Euting bestattet wurde. Mokkatasse nicht vergessen!
Sollte sich jemand den Originaltext mit den Abbildungen der Gerätschaften, die zum Mokka kochen notwendig sind, ansehen wollen, so klicke er auf die nachfolgenden Bilder.
Naja, wenn man das oben liest und dann die Bilder anschaut, würde ich doch eher eine Unterscheidung machen zwischen Kaffeegenuss und Kaffeekonsum. Beim Tee ist dieser Unterschied, meine ich, weniger stark ausgeprägt, und gerade hier in Chengdu, wo ich arbeite, sieht man das allerorten in den Teehäusern, wo man oft stundenlang beim Tee sitzt. Da es sich um grünen Tee handelt, wird der ja auch anders getrunken: Man gießt ihn immer wieder auf, d.h. kann immer dieselbe Tasse, denselben Becher weiter verwenden. Das allein schon führt automatisch zu weniger Wegwerfbechern.
Wenn Du Spaß an der Beschreibung der Kaffeezeremonie hattest, dann dürfte das auch für die Teezeremonie zutreffen – und damit den Geschichten aus unserem Buch „Tee. Süsser Tau des Himmels“ (http://www.gruzim.de/Tee-dtv.html).
Liebe Grüße aus der Teetrinkerstadt Chengdu
Andreas
Super Beitrag! Das Mokka-Ritual am 11.7. auf dem Ruhestein ist übrigens wirklich ein Erlebnis – da treffen sich Wissenschaftler, Wanderfreunde aus dem Schwarzwald und dem Elsaß, Nachfahren der Mündel von Euting und viele mehr, um dem illustren Julius Euting zu gedenken – in einer wunderschönen Landschaft. Mehr zu ihm gibt es auch bei uns in der Ausstellung „Julius Euting (1839 – 1913) – ein schwäbischer Orientforscher“: http://www.lindenmuseum.de/sehen/ausstellungen/julius-euting/
Herzlichen Gruß aus Stuttgart
Martin