Consumere

Würde man mich fragen, worüber ich mich in der letzten Zeit geärgert habe, dann wäre meine Antwort: die Ankündigung für den HELDENMARKT, der am letzten Wochenende stattgefunden hat.

Messe für nachhaltigen Konsum – Shoppen für Weltverbesserer!

Wie kann Konsum nachhaltig sein?

Und mal wieder werfe ich einen Blick in ein Wörterbuch – diesmal ist es Latein<->Deutsch.

Consumere = „gebrauchen – verbrauchen – verwenden – aufbrauchen – verprassen – verzehren – vernichten – wegraffen“

  • Waren, die ein Konsument verbraucht, heißen Verbrauchsgüter, zum Beispiel Lebensmittel
  • Waren, die ein Konsument gebraucht, heißen Gebrauchsgüter, zum Beispiel Kleidung.

Und dann gibt es noch

  • Waren, die ein Konsument weder lebensnotwendig ver- oder gebraucht, heißen Luxusgüter

Wer sich das Video auf der Heldenmarkt.de anschaut, wird erstaunt sein, dass es sich vor allem um Luxusgüter handelt:

Das ist eine ganz witzige Idee und außerdem ist es mein Vorname und da muss ich es ganz einfach kaufen„, so eine Besucherin des Heldenmarktes (Heldenmarkt.de – Video – 25.11.2012).

Angeboten werden Handpuppen, die aus alten Kassetten und Tonbändern bestehen und deren innere Seite aus Autoinnenverkleidung gefertigt wird. (Heldenmarkt.de – Video – 25.11.2012)

Wie kann ein solches Verprassen, Vernichten, Wegraffen als nachhaltig bezeichnet werden?

Dem Wort Nachhaltigkeit ist schwer beizukommen.

Bereits am Anfang des 18. Jahrhunderts spricht man in der Forstwirtschaft von Nachhaltigkeit, um einer drohenden Waldvernichtung entgegenzuwirken. Holz war ein wichtiges Gut, das zum Beispiel im Erzabbau eine große Rolle spielte. Der Gedanke, der hinter der nachhaltigen Forstwirtschaft stand, orientierte sich keinesweg am Naturschutz, sondern basierte auf rein wirtschaftlichen Interessen.

Im 1809 erschienenen Wörterbuch der deutschen Sprache, bedeutet es „Einen Halt, den man nach oder außer andern hat, und woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält“.

In dem Schlussbericht der EnqueteKommission des Deutschen Bundestages. Globalisierung der WeltwirtschaftHerausforderungen und Antworten (12.06.2002, Drucksache 14/9200) wird Nachhaltigkeit mit ökologisch verbandelt.

Schon wieder ein Schlüsselwort: ökologisch. Der Duden erklärt es als „die natürliche Umwelt des Menschen betreffend, sich für ihren Schutz, ihre Erhaltung einsetzend“.

Mittlerweile haben sich in unsere aufgeklärten und umweltbewußten Helden-Köpfe längst die Wörter „nachhaltig“ und „ökologisch“ eingenistet und garantieren uns ein reines Vernichtungs-/Wegraffen-/Verprassen-(Konsum-)Gewissen beim Shoppen, es muss halt nur politisch korrekt verpackt sein. Dafür steht der Heldenmarkt: „Messe für nachhaltigen Konsum : Shoppen für Weltverbesserer„.

Und deshalb gibt es den Kaffee auf dem Heldenmarkt natürlich in Pappbechern, denn diese entspringen ja einer nachhaltigen Forstwirtschaft und können dem Papier-Recycling zugeführt werden.

 

Ich finde einfach nur sehr wichtig, dass ein bewußter Umgang mit allem irgendwie entsteht, dass die Leute sich Gedanken machen über das, was sie machen, dass sie auf die Rückseite der Verpackung schauen.“ (Heldenmarkt – Video – 25.11.2012)

Wie wahr und mir bleibt nur noch ein Zitat von Karl Marx:

Unsere Bedürfnisse und Genüsse entspringen aus der Gesellschaft; wir messen sie daher an der Gesellschaft; wir messen sie nicht an den Gegenständen ihrer Befriedigung. Weil sie gesellschaftlicher Natur sind, sind sie relativer Natur.“ (Karl Marx, Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, 412)

Wer mehr zum Thema Nachhaltigkeit erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch von Ulrich Grober, Die Entdeckung der Nachhaltigkeit : Kulturgeschichte eines Begriffs“ oder einen Blick auf das Blog „52 Wege für eine wunderbare Welt

3 Kommentare zu “Consumere”

  1. Sarah Kaufmann schrieb:

    Nov 25, 12 at 15:25

    Danke für diesen Artikel Eva!
    In Zeiten in denen eine vermeintliche Green Economy zunehmend an Auftrieb gewinnt, scheint es kein Problem zu sein, eine Messe für nachhaltigen Konsum zu veranstalten, ohne dass daraufhin dieser innere Widerspruch thematisiert wird. Der Grund hierfür ist genau wie du sagst, dass der Heldenmarkt ökologisch verpackt ist und somit nicht weiter hinterfragt wird…

  2. Eva schrieb:

    Nov 26, 12 at 10:19

    Nun muss ich einen eigenen Kommentar schreiben. Auf den Artikel „consumere“ habe ich eine Mail erhalten, die einige Links zum Thema „Abfall-Veredelung“ enthielt. Gelernt habe ich, dass es nicht nur RE-CYLCING gibt sondern auch UP-CYCLING – also Abfall-Veredelung.
    Die Links, die sich mit der Veredelung von gebrauchten Pappbechern beschäftigen, möchte ich meiner Leserschaft nicht vorenthalten:

    Wie mache ich aus Pappbechern Lautsprecher für meinen Ipod?

    http://www.yankodesign.com/2008/11/13/macgyver-tries-ipod-speakers/

    Wenn man kein Apple-Freund ist, kann man natürlich auch farbige Becher dazu verwenden.

    Farbenprächtige Windspiele aus Pappbechern

    http://nyclovesnyc.blogspot.de/2011/10/paper-cup-drawings-by-gwyneth-leech-at.html

    Eine besonders hübsche Idee zu Weihnachten, man könnte damit auch den Weihnachtsbaum veredeln. Hat garantiert nicht jeder in seiner guten Stube.

    Und für alle Blumenfreunde gibt es eine Anleitung, wie man aus einem alten Pappbecher eine Rose bastelt. Besonders gefällt mir in der Anleitung der Satz: „First Step is to smash your cardboard cup“.

    http://www.squidoo.com/recycledupcycled-craftshow-to-make-a-coffee-cup-rose

    Die Herstellung ist vielleicht etwas aufwändiger, aber zumindest hat man ein die Liebe überdauerndes Geschenk für den oder die Liebste.

    Ja, ja, wir sind HELDEN und retten die Umwelt!

  3. Magazin für Restkultur schrieb:

    Jan 08, 16 at 07:02

    Schön auf den Punkt gebracht …


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