Die Kamera ist mein Spaten

Ich werde häufig nach der Verbindung zwischen Müll und Archäologie gefragt. Die Antwort lautet, dass es egal ist, ob ich den Müll von vor 3000 Jahren oder von gestern „ausgrabe“, wenn es die Siedlungsarchäologie betrifft.

Müll auf einer türkischen Ausgrabung

Aber worin besteht der Unterschied?

Auf einer archäologischen Ausgrabung lege ich zum Beispiel einen Brennofen für Keramik frei, um den herum sich vielleicht auch noch Fehlbrände befinden. Eine solche Situation nenne ich als Archäologin erst einmal einen Befund.

Bevor eine solche archäologische Befundsituation vor mir liegt, habe ich mich mit Spaten und Kelle durch verschiedene Bodenschichten gearbeitet. Nicht nur für Geographen und Geologen ist der Boden ein Archiv, sondern auch für Archäologen.

 In der Erde sind Lebenssituationen archiviert. In den seltensten Fällen kann die „Verschüttung“ einer solchen Situation mit einem bestimmten Ereignis, wie in Pompej, in Verbindungen gebracht werden.

Als Archäologin lege ich also ein winziges Zeitfenster an einem bestimmten Ort frei und versuche dieses zu verstehen bzw. zu interpretieren.

Archäologische Freilegungsarbeit

Im Gegensatz zu einer archäologischen Ausgrabung sind die Artefakte der Müll-Archäologie flüchtig. Weggeworfene Gegenstände im öffentlichen Raum werden entweder von den öffentlichen Reinigungskräften entsorgt oder aber Wind und Wetter transportieren die Dinge an Orte, die nicht dem Ort des Wegwerfens entsprechen. Eine weggeworfene Plastiktüte kann sich durchaus auch auf einem Hausdach oder in einem Baum wiederfinden, obwohl sie auf die Straße geworfen wurde.

Wie sich eine müll-archäologische Befundsituation innerhalb einer Woche ändern kann, zeigen die nachfolgenden Bilder.

13.10.2014

17.10.2014

20.10.2014

Bei allen drei Befunden handelt es sich um Ess- und Trinksituationen. Ich will hier nicht näher auf die Interpretation einer solchen Befundsituation eingehen. Vielmehr möchte ich zeigen, wie sehr sich eine Situation im Laufe einer Woche ändern kann und die Archäologie zu ganz unterschiedlichen Aussagen kommen kann.

Müll-Archäologie beschäftigt sich also nicht mit im Boden archivierten Befunden und Funden, die mit Spaten ausgegraben werden müssen, sondern fängt mit der Kamera flüchtige Zeitmomente ein, die dann in einer Fotodatei archiviert werden.

In diesem Sinne: CARPE DIEM

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