Gastgeschenke

Heute hat mich ein Gartenfreund darauf aufmerksam gemacht, dass mein Staudenbeet, das ich mit frischem Grasschnitt bedeckt habe, eine Geburtsstätte für Nacktschnecken sei. Was sollte ich dazu sagen? Versuche ich doch weitgehends naturnah meinen Garten zu bewirtschaften.

 

Mir fiel etwas ganz anderes bzw. jemand ganz anderes zu diesem Thema ein: Die Erfindung der Phosphatdüngung durch Justus von Liebig.

Ich versuche meinen Garten auf natürliche Weise zu düngen und habe festgestellt, dass es eigentlich im Garten keine Abfälle, keinen Müll gibt, sieht man einmal von den Plastikblumentöpfen ab, die ich mittlerweile gesammelt habe.

Justus von Liebig erfand nicht nur das Superphosphat, er verfasste auch chemische Briefe.

Hier möchte ich seine Erkenntnisse über die Landwirtschaft in China, die in seinem 49. Brief publiziert sind, in Auszügen vorstellen:

Es ist ganz richtig, in China bestehen andere Verhältnisse als bei uns, die Chinesen sind zum Theil Buddhisten und essen kein Rindfleisch, wir essen mehr Fleisch, und müssen deswegen auch Futter für die Fleischerzeugung bauen; … In China weiss man von der Grundlage der deutschen Landwirthschaft nichts: ausser der Gründüngung kennt und schätzt man keinen andern Mist als die Ausleerungen der Menschen; was der chinesische Landwirth sonst noch zur
Erhöhung seiner Erträge anwendet, ist in Quantität und Wirkung verschwindend
gegen die Wirkung der Menschenexcremente. … Der Chinese, dessen Haus noch immer, was es ursprünglich gewesen sein mag, ein Zelt ist, nur von Stein und Holz, weiss nichts von Latrinen wie sie bei uns sind, sondern er hat in dem ansehnlichsten und bequemsten Theil seiner Wohnung irdene Kufen oder auf das allersorgfältigste ausgemauerte Cisternen, und der
Begriff der Nützlichkeit beherrscht so völlig seinen Geruchsinn, dass, wie Fortune (The Tea districts of China and India. Vol. I., p. 221) erzählt: „dasjenige was in jeder civilisirten Stadt Europa’s als ein unerträglicher Missstand (nuisance) angesehen ist, dort von allen Classen, reich und arm, mit dem äussersten Wohlbehagen (complaceney) betrachtet wird, und ich bin gewiss,“ fährt er fort, „dass nichts einen Chinesen mehr in Erstaunen setzen würde, als wenn irgendeiner sich über den Gestank beklagte, der sich von diesen Behältern verbreitet.“ Sie
desinficiren diesen Dünger nicht, aber sie wissen vollkommen, dass derselbe durch den Einfluss der Luft an treibender Kraft einbüsst, und suchen ihn sorgfältig vor Verdunstung zu schützen. … Nach dem Handel mit Getreide und Nahrungsmitteln ist kein Handel ausgedehnt wie der mit diesem Dünger. In langen, plumpen Fahrzeugen , welche die Strassenkanäle durchkreuzen, werden diese Stoffe täglich abgeholt und in dem Lande verbreitet. Ein jeder Kuli, welcher des Morgens seine Producte auf den Markt gebracht hat, bringt am Abend zwei Kübel voll von diesem Dünger an einer Bambusstange heim. Die Schätzung dieses Düngers geht so weit, dass Jedermann weiss, was ein Tag, ein Monat, ein Jahr von einem Menschen abwirft, und der Chinese betrachtet es als mehr denn eine Unhöflichkeit, wenn der Gastfreund sein Haus verlässt und ihm einen Vortheil verträgt, auf den er durch seine Bewirthung einen gerechten Anspruch zu haben glaubt. Von fünf Personen schätzt man den Werth der Ausleerungen auf zwei Teu für den Tag, was aufs Jahr 2000 Cash beträgt, ungefähr 20 Hectoliter zu einem Preis von sieben Gulden.

Fäkalien sind unser ureigenster Abfall, den wir vom ersten bis zum letzten Tag unseres Lebens produzieren und von dem wir uns täglich trennen. In der Vergangenheit hat diese Entsorgung gerade in großen europäischen Zentren zu massiven Problemen geführt: So war man in Paris und Berlin des morgens nicht davor gefeit, einen gefüllten Nachttopf über den Kopf geschüttet zu bekommen.

Mit den Wasserklosetts und den städtischen Abwässern haben wir dieses Müll-Problem angeblich in den Griff bekommen, nur die Entsorgung des dazugehörigen Equipments scheint noch einige Schwierigkeiten zu bereiten.

 

Was hätte der Chinese im 19. Jahrhundert wohl darüber gedacht?

Allen, die dieses Thema nicht so appetitlich finden, empfehle ich das Buch Das Geräusch einer Schnecke beim Essen von Elisabeth Tova Bailey.

Ein Gedanke zu „Gastgeschenke

  1. usch

    …. da frage ich mich nun tatsächlich, warum Du in Deiner wunderschönen Oase inmitten der Hauptstadt ein solches „Ding“ hast, welches Dir „einen Vortheil verträgt, auf den Du durch Deine Bewirthung einen gerechten Anspruch zu haben glaubst“.
    Naja,ich weiß es ja, das sind die kleinkarierten Vorschriften!
    Und Du hast ja „Bokaschi“ (weiß nicht, ob das so richtig in meinem senilen Kopfe geblieben ist!)

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