To go … aber wohin?

Schon lange frage ich mich, wie „to go“ zu übersetzen ist. Also habe ich mal in einigen Wörterbüchern nachgesehen.

Eigentlich bin ich immer davon ausgegangen, dass es sich bei „to go“ um einen Infinitiv handelt, da sich im Englischen der Infinitiv aus der Grundform des Verbs und dem Wort „to“ zusammensetzt. Die Übersetzung würde dann „zu gehen“ lauten. Diese Übersetzung erscheint auch, wenn man „to go“ online übersetzen lässt. Aber irgendwie hört es sich schon blöd an, wenn man sagen würde: „Kaffee zu gehen“.

Also habe ich noch in online-Wörterbüchern nachgesehen. Bei dict.cc finde ich „sth. to go“ mit dem Übersetzungsvorschlag „etw. für unterwegs“ und unter der Rubrik „Adjektive/Adverbien bei dict.leo steht die Übersetzung „zum Mitnehmen„. Bei einer umgekehrten Suche, also Deutsch <-> Englisch, erhalte ich für „zum Mitnehmen“ den Vorschlag „take away“ – eine Bezeichnung, die auch immer wieder im Ausland für die Möglichkeit, Speisen und Getränke mitnehmen zu können, sprich, sie nicht im Restaurant zu verzehren, zu finden ist.

Meine Frage lautet also, was verstehen wir Deutschen unter „to go“?

Es fällt auf, dass in Deutschland fast alles „zum Gehen“ bzw. „zum Mitnehmen“ ist. Die Zauberformel, um ein Produkt an die Frau oder den Mann zu bringen, heißt in Deutschland

to go

egal ob dies sprachlich oder inhaltlich irgendeinen Sinn ergibt. Das deutsche, zeitgenössische Lebensgefühl – „the German way of life“ – geht [go] vermutlich damit einher, alle möglichen Dinge – Kaffee allen voran – in Bewegung (in motion) zu geniessen.

Beispiele, was es so alles zum Gehen bzw. zum Mitnehmen gibt:

 

Festnetz „zu gehen“/“zum Mitnehmen“ scheint mir ein Widerspruch in sich zu sein.

Märchen „zu gehen“/“zum Mitnehmen“ verstehe ich überhaupt nicht. Gemeint ist wohl eher ein Buch, das ich überall hin mitnehmen kann.

Joghurt „zu gehen“/“zum Mitnehmen-Schachtel“ ist insofern noch akzeptabel, da es sich um einen mehrfach zu benutzenden Behälter handelt. Aber wer isst schon beim Gehen Joghurt? Handelt es sich in diesem Fall nicht vielmehr um die gute alte Brotdose und darf ich in diesen Behälter nur Joghurt einfüllen oder sind auch andere Lebensmittel erlaubt, wie zum Beispiel Quark oder Käse?

Müll-Archäologie Müll-Archäologie

 

Alles lässt sich als „zu gehen/zum Mitnehmen“ vermarkten:

 

Für ungefähr 7 Euro kann man einen Pappbecher mit der Aufschrift „art to go“ in einem Berliner Museumsladen, die Museumsshops genannt werden, käuflich erwerben. Mal ehrlich? Wer stellt sich so einen Kunst-Pappbecher in die Wohnung? Ich jedenfalls bezeichne ihn als „Stehrumsel“. Ob man diese Pappbecher statt einer Porzellan- oder Keramiktasse zum Trinken benutzen kann, weiß ich nicht. Vielleicht befinden sich ja kleine Abziehbilder Berliner Kunstobjekte in diesem Becher. Die könnte man dann Sammeln.

Botox „zu gehen/“zum Mitnehmen“. Hier frage ich mich, was dieser Schwachsinn bedeutet. Kann man in diesem Geschäft eine Ampulle „Botox“ kaufen und sie im Fall von Dystonie oder Falten spritzen?

Genuss „zu gehen /“zum Mitnehmen“ scheint, wenn man das Schild genauer betrachtet, auf einen Pappbecher Jacobs-Kaffee und ein Auto reduziert. Allein über diese Reduktion von Genuss könnte ein Roman geschrieben werden.

Und wo kann man all diese schönen „zu gehen“/“zum Mitnehmen“-Dinge kaufen?

Richtig! – natürlich im Geschäft „zu gehen“/“zum Mitnehmen“

Müll-Archäologie Müll-Archäologie

 

Wie – bitte schön – nehme ich ein ganzes Geschäft mit auf meinen Weg?

Der einzig wahre Pappbecher „zu gehen/“zum Mitnehmen“ scheint mir der von McCafé zu sein, denn der hat Füße und kann gehen.

Müll-Archäologie Müll-Archäologie

 

Nun ist es Zeit für eine „zu gehen-„/“zum Mitnehmen“-Pause, um sich den ganzen Unfug mal durch den Kopf gehen zu lassen.

Müll-Archäologie Müll-Archäologie

 

Da ich nicht die einzige bin, die sich über „to-go“ den Kopf zerbricht, hier noch eine herrliche Karikatur aus dem Karicartoon-Kalender für 2013, die das Deckblatt ziert.

Müll-Archäologie Müll-Archäologie

Zum Schluss ein kleiner Tipp:

Legt den „to-go-Käfig“ ab, macht Pausen in einem schönen Museum, in dem ihr in aller Ruhe Kunst ansehen könnt; telefoniert sitzend auf der Couch oder lest dort ein interessantes Buch; ladet Freunde an einen schön gedeckten Kaffeetisch ein und der Genuss wird euch sicher sein.

To-go bedeutet in der Regel auch immer Verpackungsmüll, aber wohin damit? Dazu mehr in einem eigenen Artikel.

4 Kommentare zu “To go … aber wohin?”

  1. Usch schrieb:

    Okt 18, 12 at 22:41

    alles idiocy/rubbish to go!!! Sorry! (nicht Deine Erläuterungen!)
    ich verkneife mir, aufzuzählen, was man alles sonst noch zu „to go“ machen könnte!

  2. go-go-Girl schrieb:

    Okt 19, 12 at 07:59

    Hallo Eva,

    da habe ich ein paar Mal herzlich gelacht. Zuletzt über d. Cartoon. Cool. Und danke!

    Was sich in Amerika oder England eingebürgert hat, weiß ich nicht. Ich kenne auch nur take away, habe aber den continentalen Boden schon sehr lange nicht mehr verlassen. Und vermute, daß die Wortkreation einem halb gebildeten deutschen Hirn entsprang. Daß Schwachsinn gerade deshalb so gut ankommt, weil er eben Schwachsinn ist, vermute ich schon seit den Häschen-„Witzen“ der 70 er-Jahre. Oder: Gleich zu gleich….?

    Nicht wegzugehen sondern hier zu bleiben

    hat sich entschieden

    Go-go-girl

  3. Diether Z. schrieb:

    Okt 20, 12 at 11:18

    Ich dachte zunächst, dass es sich um Kaffee aus Togo handelt, etwa wie der aus Guatemala, etc. Kaffee zum Mitnehmen wäre wohl auch nur eine Übersetzung. Es hieße am ehesten „Mitnehm-Kaffee“. Oder, wie irgendwo gehört:“Haben Sie Kaffee to go auch zum mitnehmen?“

    Übrigens: Hätten Menschen nie etwas weggeworfen, hätten Archäologens viel weniger zu tun.

  4. WKN schrieb:

    Okt 20, 12 at 18:39

    Das ist ja eine tolle „to-go“ Sammlung.

    Da das „to“ für to-go oft noch zu lang ist, wird häufig ja auch „xxx2go“ geschrieben. Ein Beispiel kennen viele Städter auf der ganzen Welt – ein Auto zum Mitnehmen, nämlich das „Car2go“ (z.B. http://www.car2go.com/berlin/de).

    Außerdem hat mich Go-go-girl auf eine weitere Idee gebracht: Während man früher von „Freudenmädchen, Straßenmädchen, leichten Mädchen oder Strichmädchen“ gesprochen hat, müßte es ja eigentlich heute „Girl-To-Go“ heißen.


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