Life in Plastic is fantastic

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Zu einer Zeit, als es unter den Göttern des griechischen Pantheons noch ein großes Gerangel um die Vormachtstellung gab, schnitt Kronos seinem Vater Uranos das Gemächte ab und warf dieses ins Wasser; Blut und Samen vermischte sich mit dem Mittelmeer. Aus diesem Flüssigkeitengemisch wurde am Strand von Zypern die Göttin Aphrodite geboren, die auch landläufig als die „Schaumgeborene“ bezeichnet wird. Aphrodite wurde die Göttin der Liebe und der Schönheit, ursprünglich war sie mit Entstehen und Wachsen, also der Fruchtbarkeit assoziert.

Zypern liegt weit im Osten des Mittelmeeres. Die Insel gehört geographisch zu Asien aber politisch zu Europa. Zypern leitet ihren Namen von dem lateinischen Wort für Kupfer „cuprum“ ab. Kupfer ist ein Erz, das zur Bronzeherstellung benötigt wird und so war Zypern in der Bronzezeit ein vermutlich wichtiger Handelsort.

Östlich von Zypern befindet sich der Libanon. Dort lebte einst die phönizische Königstochter Europa und vergnügte sich am Strand von Sidon mit ihren Freunden, als der Götterbote Hermes mit einer Kuhherde vorbei kam. Unter den Tieren dieser Herde befand sich auch ein sehr friedlich aussehender weißer Stier, dem Europa ihr Vertrauen schenkte. Europa setzte sich auf den Rücken dieses Stieres, der darauf hin mit ihr nach Kreta schwamm, wo er sich in seine ursprünglich göttliche Gestalt zurückverwandelte und sich als Zeus zu erkennen gab. Die Verbindung zwischen Zeus und Europa blieb nicht folgenlos: es wurden drei Kinder geboren, darunter Minos der zukünftige König von Kreta.

Nun gibt es noch die Geschichte, dass Europa, nachdem Zeus sie wieder verlassen hatte, von Aphrodite geweisssagt wurde, dass nach ihr ein ganzer Erdteil, nämlich der, zu dem die Insel Kreta gehört, benannt werde.

So ist es ja auch gekommen und nicht nur Kreta gehört zu Europa und der Europäischen Union, sondern auch Zypern.

Was hat das alles mit der Müll-Archäologie zu tun?

Vor einigen Wochen besuchte ich diese zweigeteilte Insel im Mittelmeer. Bereits auf dem Weg vom Flughafen zu meiner ersten Unterkunft wurde ich von Straßenschildern begrüßt, von denen ich da noch nicht wusste, dass sie meine Reise begleiten werden, sozusagen zum Thema der Reise wurden.

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Müll gab es überall. Irgendwann habe ich den Müll in zwei Kategorien eingeteilt: Selbstgemachter Müll und Fremd-Müll.

Der selbstgemachte Müll zeigte sich vor allem in weggeworfenen Plastiktüten und Plastikflaschen, die man an allen Straßenrändern und an den Stränden finden konnte. An einem Strand fand ich dann so viel leere Plastikflaschen, die wohl von einem Strandpicknick stammten, dass ich nicht umhin kam, aus diesen Artefakten das Wort „Waste“ zu schreiben:

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Der Fremd-Müll wird vom Meer angespült.

Nun muss man wissen, dass sich in der heutigen libanesischen Stadt Sidon (Geburtsort der Europa) eine große Mülldeponie direkt am Meer befindet, die sich täglich um 80 Tonnen Müll vergrößert. Die Mülldeponie hat mittlerweile eine Höhe von 40 m erreicht und so ein um das andere Mal bricht dann, wie bei einem Eisberg, ein Stück ab. Der Unterschied zum Eisberg, der Müll schmilzt nicht, sondern wird an die Küsten des Mittelmeeres gespült. Zypern ist aufgrund seiner Nähe zum Libanon natürlich besonders betroffen. Ich fand dann auch an einem Strand einen Farbeimer, auf dem ich den Hinweis: „Made in Libanon“ lesen konnte. Wer mehr zu diesem Thema wissen will, schaue sich den Film „trashed“ von Candida Brady und Jeremy Irons an.

 

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Aber manchmal ist der Müll auch so klein, dass man ihn zunächst nicht als solchen erkennt. Es sind die kleinen Plastikpellets, dies sich mit den Strandkörnern vermischen und mittlerweile den Namen „Meerjungfrauentränen“ tragen. Gerade diese Pellets stellen eine große Gefahr für die Meeresfauna dar, da diese Kunststoffteilchen für Futter gehalten werden. Speisefische, die sich mit Kunststoff kulinarisch verwöhnt haben, landen dann auf unserem Teller. Man nennt es Nahrungskette.

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Ich stelle mir gerade vor, wie Archäologen in vielen tausend Jahren unsere Skelette naturwissenschaftlich untersuchen lassen und herausfinden, dass wir Plastik beziehungsweise unseren Müll gegessen haben. Vielleicht kommen sie zum dem Ergebnis, dass das Ende des 20. und der Beginn des 21. Jahrhunderts ein Zeitalter war, das durch Nahrungsmangel geprägt war, so dass der Mensch auf seinen Müll zurückgreifen musste.

Während der gesamten Reise summte ich den Refrain aus dem Barbie-Lied von Aqua vor mich hin:

LIFE IN PLASTIC IS FANTASTIC

Wird Sand für Baustellen gesiebt, so bleibt Plastik in den Maschen hängen.

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Geht man Kaffee trinken, bekommt man das Glas Wasser in einem Plastikgefäß

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Auf den Feldern finden sich Unmengen von Verpackungen, die darauf schließen lassen, dass das Gemüse mit Produkten der großen Chemiekonzerne gesegnet wurde.

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Die großen Globalplayer sind natürlich auch zur Stelle

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Die Strände sind zum Teil so mit Plastikplanen abgedeckt, damit man sich nicht die Füße an dem anderen Gerümpel, was so rumliegt, zerschneidet

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Für Pfandflaschensammler wäre Zypern ein Eldorado

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Alte Kühlschränke werden nicht wie bei uns auf die Straße gestellt, sondern haben als Tiertränke ein zweites Leben.

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Fünf Tage hat es gedauert, bis ich mich ins Mittelmeer getraut habe. Herausgekommen bin ich mit vier Plastiktüten

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Hingegen werden Olivenbäume in Mülltonnen entsorgt: Verkehrte Welt

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Als Hephaistos erfuhr, dass seine Gattin Aphrodite ihn mit Ares betrog, stellte er ein nicht zu zerstörendes Netz her, welches er an dem Bett befestigte, in dem sich Aphrodite und Ares vergnügten. Beide wurden in dem Netz gefangen und dem Gelächter der olympischen Götter ausgesetzt. Ich vermute mal, dass Hephaistos nicht nur als Schmied tätig war, sondern schon in Vorzeiten die Kunst der Plastikherstellung beherrschte, denn aus welchem anderen „unzerstörbaren Material“ sollte Hephaistos das Netz ansonsten hergestellt haben?

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Und Europa in Gestalt der EU ist der Ansicht, dass

der mikroskopisch kleine Müll laut dem Regelwerk gar nicht als Verschmutzung angesehen wird„.

Sollte Aphrodite noch einmal geboren werden, dann wird sie sicher nicht die aus dem „Schaum Geborene“ heißen, sondern die aus „Plastik Geborene“ und statt einer Plastik aus Marmor wird es eine Statue aus Plastik sein, die man dann von ihr in den Museen besichtigen kann.

Plastik ist mit Sicherheit ein wundervoller Ausgangsstoff für viele Produkte, die unser Leben um vieles leichter und bequemer machen, aber geht es uns nicht wie dem Zauberlehrling, dass wir mittlerweile die Situation nicht mehr beherrschen?

Zypern habe ich mit fast 500 Bildern verlassen. Hier eine große Auswahl meiner Fotos als Poster zum Download.

Für die Meere ist es schon lange nicht mehr fünf vor zwölf, sondern bereits fünf nach zwölf.

Wer sich noch ein wenig mehr mit dem Thema Meer und Müll beschäftigen will, schaue doch mal auf fluter.de oder in die ZEIT.

2 Kommentare zu “Life in Plastic is fantastic”

  1. Stefan Wenzel schrieb:

    Dez 30, 14 at 16:04

    In jedem Fall sind Dir trotz des nicht-idyllischen Sujets einige sehr schöne Fotos gelungen.

    Viele Grüße,
    Stefan

  2. K. schrieb:

    Dez 31, 14 at 08:03

    Liebe Eva,

    jetzt passt es so gut dazu:
    Das Kupfer aus Zypern wurde in Ochsenhautbarren ‚verwandelt‘ und transportiert.
    Anna Lena Grau ‚gießt‘ unser Plastik auch in diese Formen – was wir wohl daraus machen werden?:
    http://www.annalenagrau.com/arbeiten/ochsenhautbarren/

    Viele Grüße
    K.


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